Torwartfindung leicht gemacht! ... oder???


Die Geschichte vom kleinen Kalli


Nehmen wir die Geschichte einer Handballjugendmannschaft im verträumten Nordhessen.

Der Trainer „Harry Handball“, Name frei erfunden, hat eine Jugendmannschaft übernommen und stellt während der Vorbereitungsphase 1 mit Entsetzen fest, dass er gar keinen Torwart für seine Mannschaft hat. Hier ist guter Rat teuer, aber bis zum Saisonbeginn ist ja noch genügend Zeit. Also fragt er zuerst einmal ganz zwanglos, ob jemand aus der Mannschaft Interesse hat im Tor zu spielen. Leider Fehlanzeige.

Harry Handball trifft noch keine Entscheidung, die Zeit brennt ja auch noch nicht unter den Nägeln.


In den nächsten Trainingseinheiten sucht der Handballtrainer mit geschultem Blick, ob sich nicht doch schon mal ein Kandidat für den Torwartposten heraus kristallisiert und denkt dabei an den kleinen, stabilen „Kalli“. Kalli ist ihm schon in den ersten Trainingsstunden aufgefallen. Das Joggen fällt dem kleinen, übergewichtigen Jungen nicht ganz leicht und Kalli ist auch ziemlich schüchtern und zurückhaltend. Als Feldspieler, der eine ordentliche Portion Durchsetzungsvermögen haben muss, nicht gerade die Nummer eins.

In der 2. Vorbereitungsphase geht es dann endlich in die Halle. Harry Handball packt sein ganzes Repertoire aus, um seine Mannschaft fit zu machen. Dabei gibt er sich recht viel Mühe und versucht, selber hoch motiviert, seine Mannschaft bei guter Laune zu halten.

Kleine Spiele zu Anfang einer jeden Trainingsstunde machen Spaß und bringen die Sportler ohne Zwang auf Betriebstemperatur. Danach wird sich gedehnt, um Muskel- und Bänderverletzungen zu vermeiden. Das Ganze mit Unterstützung von Musik macht doppelt Spaß.


Harry Handball wäre kein guter Trainer, wenn er nicht weiter Ausschau nach einen Torhüter halten würde und so beobachtet er bevorzugt unseren kleinen Kalli, der in den kleinen Spielen nicht gerade der große Kämpfer zu sein scheint und bei den Dehnübungen den Vergleich mit einer frisch verlegten Eisenbahnschwelle locker stand hält. Nach den Dehnübungen folgt eine kurze Trinkpause.


Weiter geht es im Programm.

Kurze Sprintübungen sind angesagt. Von der Grundlinie zum 6-Meterraum, zurück zur Grundlinie, zur 9-Meterlinie, wieder zurück zur Grundlinie, Vollgas bis zur Mittellinie und locker auslaufen bis zur anderen Hallenseite. Harry Handball lässt seine Mannschaft gleichzeitig laufen, denn so verschafft er sich einen guten Überblick über den Leistungsstand seiner Spieler.


3 Mal das Ganze und es trennt sich schon die Spreu vom Weizen. Natürlich war unser Kalli der Langsamste von allen. Völlig aus der Puste und mit hoch rotem Kopf schleppte sich Kalli durch den 3. Durchgang. – Harry Handball hatte eigentlich schon seinen Torwart gefunden, doch er brachte noch seinen Geschicklichkeitsparcours, den er mit viel Mühe vor Trainingsbeginn aufgebaut hatte. Hindernisse zum Überspringen, Kastenteile zum Durchkriechen, Matten für Vorwärts- und Rückwärts-Rollen, Seilspringen, Slalomstangen, Medizinbälle. Also alles das, was das Herz begehrt. Zum guten Schluss musste die große Sprossenwand bis unter die Hallendecke erklommen werden und der Parcours endete mit einem Sprung von der 5. Sprosse auf die Weichmatte.


Die ganze Mannschaft war begeistert und wollte sofort loslegen. Doch halt! Zuerst wird der Parcours noch einmal mündlich wiederholt. - „Kalli“. - Oje, Kalli hatte sowieso schon Konzentrationsschwierigkeiten und brachte die Reihenfolge total durcheinander. Mit Hilfe seiner Mannschaftskameraden klappte es dann doch noch.


Der Parcours muss für Kalli ein einziger Alptraum gewesen sein. Er hatte nicht nur die Schwierigkeit den Parcours mündlich zu wiederholen, sondern in der Praxis sah es noch viel schlimmer aus und endete mit einer totalen Verweigerung an der großen Sprossenwand.


Jetzt stand für Harry Handball der Entschluss endgültig fest. „ Kalli ist der gesuchte Mann“. Die Mannschaft hatte endlich einen Torwart.


Der Parcours wurde gemeinsam abgebaut und nach einer kurzen Trinkpause ging es dann zum wohl verdienten Handballspiel 5 gegen 4 auf ein Tor.

Kalli wurde in den 3 Meter mal 2 Meter großen Kasten gestellt und eingeworfen. Dieses "Einwerfen" konnte man allerdings mit einem mittelschweren Bombardement vergleichen. Jeder Spieler gab sein Bestes und jeder versuchte zu zeigen, wer wohl den härtesten Wurf hätte. Kalli nahm vorsichtshalber Deckung und glich einem von Hunden gehetzten Reh. Manche Schüsse waren reif für die A-Jugend. Harry Handball grinste nur verdeckt und munterte Kalli auf: „ Komm Junge, die nächsten hast Du!“…

Ich möchte hier die Geschichte beenden.


Das Beispiel, ich gebe es zu, ist vielleicht ein wenig überspitzt, jedoch in manchen Passagen bestimmt nicht weit von der Realität entfernt. Aber es soll verdeutlichen, dass dieses Auswahlverfahren nicht das richtige sein kann.





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